AXI – Automatische Röntgeninspektion elektronischer Baugruppen

Aufspüren von Fehlern durch Blick ins Verborgene

AOI-Systeme, die die sichtbaren Qualitätsmerkmale einer Baugruppe prüfen, haben eine Grenze: was dem menschlichen Auge verborgen bleibt, kann auch durch ein AOI nicht optisch geprüft werden. Lötstellen von Bauelementen mit flächenartig angeordneten Anschlüssen wie BGAs, CSP, Flip-Chip oder QFN sind oft nicht einsehbar, mittlerweile liegt mitunter jede dritte Lötstelle im Verborgenen. Doch die Zuverlässigkeit elektronischer Baugruppen hängt wesentlich mit der Qualität ebendieser Lötstellen zusammen. Die Röntgeninspektion ermöglicht Blicke ins Innere der Baugruppe und kann Ausfälle durch fehlerhafte Lötstellen bedeutend minimieren.

Funktionsweise

Eine Röntgenquelle ist gegenüber einem Röntgenbilddetektor angeordnet und erzeugt Röntgenstrahlen. Diese sind elektromagnetische Wellen wie Licht. Mit weitaus geringerer Wellenlänge sind sie jedoch in der Lage, Materie zu durchdringen. Beim Durchdringen eines Objektes wird ein Teil der Röntgenstrahlen absorbiert; je dichter der durchquerte Objektbereich ist, desto mehr wird absorbiert. Der Detektor nimmt die Strahlung auf und stellt diese je nach Intensität in verschiedenen Grautönen dar. Dichtere oder dickere Materialien und Bereiche erscheinen im digitalen Röntgenbild meist dunkler, beispielsweise Eisen oder Blei. Dünnere und weniger dichte Bereiche erscheinen heller, zum Beispiel mit Materialien wie Kunststoff, Papier oder Luft. So entsteht das bekannte Röntgenbild, welches anschließend angezeigt, digital weiterverarbeitet und ausgewertet werden kann.

Bei der automatisierten Röntgeninspektion von Elektronikbaugruppen oder Bauteilen wird der Prüfling in einem strahlendichten Gehäuse von einem meist kegelförmigen Röntgenstrahl durchleuchtet. Auf einem darunter liegenden Detektor wird das vergrößerte Röntgenbild aufgenommen. Röntgeninspektionssysteme können als Bestandteil von Produktionslinien (inline) oder als separat installierte Prüfinsel (offline) genutzt werden. In beiden Fällen wird über Bandmodule der Prüfling zugeführt und nach Inspektion weiter transportiert. Dabei ist die Dauer des vollautomatischen Röntgenprozesses für die Taktzeit in der Produktionslinie entscheidend. Das Inline-Verfahren findet häufig bei großvolumigen Fertigungen Einsatz. Für Prototypenanalysen, bei geringen Stückzahlen oder bei Beschränkung auf Stichproben werden Röntgeninspektionssysteme auch als manuelle Systeme eingesetzt. Hierbei wird die Maschine losgelöst von der Fertigungsstraße von Hand be- und entladen.

Manuelle und automatische Röntgeninspektion

Von den oben genannten Offline-Röntgensystemen sind manuelle Röntgensysteme, sogenannte MXIs (Manual X-ray Inspection) zu unterscheiden. Sie bieten keine Möglichkeit für die Integration in eine Fertigungslinie und werden einzig dafür eingesetzt, um verdeckte Lötstellen stichprobenartig zu inspizieren. Sie bieten einen vergleichsweise günstigen Einstig in die Welt des Röntgens und werden oft für Serienanläufe und die Analyse von Prototypen verwendet. MXI-Systeme sind in der Lage, hochauflösende Röntgenbilder mit hohem Detailgrad zu erzeugen. Ähnlich zu einem Mikroskop legt man eine Baugruppe per Hand in das System ein und kann über die freie Bewegung von Röntgenbildkette und Prüfling das „ideale Röntgenbild“ erzeugen. Die Nachteile dieser manuellen Systeme sind die händischen Beladung und Auswertung. Eine hundertprozentige Kontrolle aller gefertigten Baugruppen ist meist aus Gründen der Taktzeit nicht möglich. Auch die immer identische Auswertung der Bilder ist durch den Faktor Mensch nicht gegeben. Je nach Erfahrung und Wissensstand des Bedieners kann das gleiche Bild unterschiedlich interpretiert werden. Zudem ist eine automatisierte Protokollierung und Archivierung der Ergebnis- und Messwerte meist nicht möglich. Hier spielen automatische Röntgensysteme, sogenannte AXI (Automated X-ray Inspection), ihre Vorteile aus. Mit etwas geringerer Auflösung und niedrigerem Detailgrad in den Röntgenbildern ermöglichen AXI-Systeme eine vollautomatische Beladung, Inspektion, Auswertung und Ergebnisprotokollierung der Baugruppen. Je nach Anforderung kommen dabei üblicherweise zwei grundlegende Prüfstrategien zum Einsatz. Einerseits besteht der Bedarf nach einer vollflächige Röntgeninspektion aller Bauteile und Lötstellen, sowohl verdeckter als auch sichtbarer Lötstellen, zum Beispiel an SMD-Bauteilen wie SO-ICs. In anderen Fällen sollen nur ausgewählte, verdeckte Lötstellen mit Röntgen geprüft werden, da beispielsweise ein AOI-System die übrigen Lötstellen inspiziert. Ähnlich zu einem AOI-System arbeiten AXI-Systeme mit einem zuvor parametrierten Prüfprogramm, um die jeweiligen Lötstellen mit Bildverarbeitungsalgorithmen zu prüfen.

Typische Anwendungsfälle der Röntgeninspektion

Die Hauptaufgabe eines Röntgensystems ist die Detektion von Lötfehlern in verdeckten, aber auch sichtbaren Lötstellen. Hierbei gehören offene, magere, fette und nicht gelötete Lötstellen genauso zum Prüfalltag  wie Lufteinschlüsse, vagabundierende Lotkugeln und Kurzschlüsse. Moderne Röntgensysteme verfügen über eine Vielzahl von Prüffunktionen zur Erkennung der Fehler. Ein Prüfprogramm wird ähnlich einem AOI-System auf Basis von CAD-Daten erstellt und parametriert. Bei der BGA-Inspektion werden bspw. Versatz, Lotbrücken, Lötstellendurchmesser, Anbindung des Balls („Head in Pillow“)und Porenanteil (Voids) geprüft. Ähnliches gilt für Bauteile wie QFN (Quad Flat No Leads Package) DFN (Dual Flat No Lead), QFP (Quad Flat Package) und LGA (Land Grid Array). Bei THT-Lötstellen kann durch Röntgeninspektion der Zinndurchstieg geprüft werden, an schwer einsehbaren Gullwing-Pins kann der hintere Lotminiskus beurteilt werden. Bei großflächigen Lötstellen wie z.B. DPAK/TO-252-Packages, aber auch in BGA-Lötstellen ist insbesondere die Detektion von Lufteinschlüssen (Voids) Aufgabe.

2D, 2.5D, 3D-Röntgentechnologie

Die senkrechte Durchstrahlung eines Prüflings wird als 2D-Röntgen bezeichnet. Moderne Elektronik-Baugruppen sind jedoch häufig charakterisiert durch beidseitige Bestückung der Leiterplatte. Im Röntgenbild können deren gegenseitige Überlagerung sowie die Überlagerung mit Durchkontaktierungen, Bonddrähten und Leiterzügen eine Inspektion erschweren oder gar unmöglich machen. Wird schräg durch die Leiterplatte gestrahlt, nennt man dies 2.5D-Röntgen oder schräge Projektion. Die schräge Ansicht hilft beispielsweise bei der Beurteilung des Zinndurchstiegs an THT Lötstellen oder bei der Prüfung er Anbindung von BGA Bällen. Auch bei der 2.5D Technologie gibt es Einschränkungen bei beideitig bestückten Leiterplatten. Die verlässlichste Qualitätsaussage kann jedoch mit 3D-Technologie getroffen werden. Diese ermöglicht eine Darstellung digitaler Schliffbilder. Ähnlich dem medizinischen CT-Verfahren kann eine 3D-Rekonstruktion durchgeführt werden.  So sind beispielsweise waagerechte und senkrechte Schnitte durch die Baugruppe und deren Lötstellen möglich. 3D-Röntgenbilder sind stets synthetisch generierte Bilder und werden aus einer Vielzahl schräger 2.5D-Bilder berechnet. Bei AXI-Systemen mit digitalen Flächendetektoren („Flat-Panel-Detektoren“) werden zur 3D-Bildberechnung im Inline-Betrieb meist 8-16 solcher schrägen Aufnahmen verwendet. Aus diesem Grund sind 3D-AXI-Systeme stets langsamer als konventionelle 2D/2.5D-Geräte, die nur mit einer Bildaufnahme arbeiten. Bei beidseitig bestückten Baugruppen ist jedoch die 3D-Bildaufnahme das einzige verlässliche Mittel, um ein hohes Maß an optischer Prüfabdeckung zu erhalten. Mit dieser Technologie können die Lötstellen der oberen Bestückseite von den Lötstellen der unteren Bestückseite getrennt und unabhängig voneinander geprüft und bewertet werden. 

Detektoren und Stop-and-go vs. Scannende Bildaufnahme

Ursprünglich dienten analoge, radiographische Filme als Detektor. Diese wurden, auch beim Einsatz in der Elektronikinspektion, von analogen Röntgenbildverstärkern mit CCD-Kamera abgelöst. Heute werden üblicherweise digitale Detektoren genutzt, welche hohe Kontrastauflösung, Dynamik und Rauscharmut aufweisen. Dabei wird zwischen zwei Detektorvarianten unterschieden - CMOS Flächendetektoren (sog. Flat-Panel-Detektoren) und scannenden TDI-Zeilendetektoren. Flat-Panel-Detektoren kommen meist dann zum Einsatz, wenn nur einzelne Bauteile der Leiterplatte in 2D-, 2.5D- oder 3D-Technik inspiziert werden müssen. Bei der 3D-Bildaufnahme haben Flat-Panel-Detektoren prinzipbedingt einen Nachteil: Die für die 3D-Bildrekonstruktion nötigen Schägdurchstrahlungsbilder (sog. Projektionen) müssen per stop-and-go Verfahren aufgenommen werden. Die Aufnahme einer schrägen Projektion erfordert immer eine Achsbewegung. Die Bewegungszeit für das beschleunigen und abbremsen ist  im Vergleich zur Belichtungszeit deutlich länger. Dies führt dazu, dass die Taktzeit zur Inspektion vieler Bauteile in 3D rapide ansteigt. Für ein Standard 3D-Bildfeld mit Acht Projektionen werden ca. 3-5s benötigt. Je nach Bestücksituation muss jedoch oftmals eine höhere Anzahl schräger Projektionen gewählt werden. Häufig sind im Inline-Betrieb bis zu 32 Projektionen nötig, um eine gute Prüftiefe zu erhalten.

Sind viele Bauteile in 3D und mit einer kurzen Taktzeit zu prüfen, eignet sich die scannende Röntgenbildaufnahme mit digitalen Zeilendetektoren. Hierzu hat GÖPEL electronic einen eigenen Röntgendetektor basierend auf mehreren bidirektional scannenden TDI-Zeilendetektoren entwickelt. Der MultiAngle Detector Version 3 bietet eine schnelle, parallele Röntgenbildaufnahme von 2D und 2.5D Bildern. Die 2.5D Bilder werden zeitgleich aus verschiedenen Richtungen aufgenommen. Die Anzahl der verwendeten 2.5D- Bilder zur Berechnung des 3D-Bildes kann in der Software frei gewählt werden. Mit der scannenden Bildaufnahme entfallen die vielen stop-an-go Achsbewegungszeiten. Somit können deutlich kürzere Bildaufnahmezeiten realisiert werden. Dies ist besonders interessant wenn ein Mehrfachnutzen mit vielen Bauteilen in 3D zu prüfen ist. Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch ein größeres Bildfeld (FOV).

Strahlenbelastung für Bauteile und Bediener

Röntgensysteme in der Elektronikfertigung müssen den Anforderungen an Vollschutzgeräte gemäß Röntgenverordnung (RöV Anlage2) erfüllen. Dazu sind die Röntgenkammern der Systeme von mit Blei ausgekleideten Strahlenschutzkabinen umschlossen. Zudem sorgen voneinander unabhängige Sicherheitsschaltkreise dafür, dass der Stromfluss (und damit verbunden die Strahlung im Inneren) mit Öffnung der Tür sofort unterbrochen wird. Darüber hinaus benötigen die Systeme nach Installation eine Genehmigung (RöV §3) und dürfen nur eingewiesenem, regelmäßig belehrten und geschulten Personal bedient werden.

Elektronik-Bauteile und Komponenten sehen sich in der Regel keiner Gefahr ausgesetzt, da die Strahlendosis üblicherweise nur bei etwa einem Tausendstel des Wertes liegt, bei dem Schädigungen zu beobachten wären. Die Systeme können die Strahlendosis zusätzlich selber steuern. Die Systeme der GÖPEL electronic reduzieren beispielsweise die Strahlendosis für Bauelemente durch mehrere Maßnahmen. Zum einen werden die niederenergetischen Strahlenanteile, die nicht unmittelbar zur Bildgebung beitragen, über geeignete Filter vor der Röntgenquelle reduziert. Zum anderen wird die Röntgenstrahlung direkt nach der Bildaufnahme unterbrochen um eine unnötige Bestrahlung zu vermeiden. Wird das System mit dem Zeilendetektor konfiguriert, wird durch das schnelle, scannende Bildaufnahmeverfahren mit sehr kurzen Belichtungszeiten die Verweildauer des Prüflings im Strahlengang minimiert. Somit reduziert sich die Strahlendosis für die Bauelemente noch weiter.

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